Ostfriesland ist bei Groß und Klein beliebt, wenn es im Sommerurlaub ans Wasser gehen soll. Die Nähe zur Nordsee, sowie das sehr flache Binnenland bringen aber auch Gefahren mit sich. So ist Ostfriesland besonders im Winter für seine Stürme und die damit einhergehenden Sturmfluten bekannt. Deshalb kommt dem Küstenschutz in Ostfriesland seit vielen Jahrhunderten eine besondere Bedeutung zu.
Am Anfang war das Wasser…
„Warum gibt es in Ostfriesland Ebbe und Flut?
Kleiner Exkurs zum Thema „Gezeiten“ 🙂
Als der erste Ostfriese über den Deich schaute, zog sich das Meer vor Schreck zurück. Und seitdem kommt es alle zwölf Stunden wieder, um nachzusehen, ob die Ostfriesen noch da sind.“
Die Nordseeküste ist bereits seit vielen Jahrhunderten bewohnt und die hier lebenden Menschen haben ihre Lebensumstände stets den Gezeiten angepasst. So wurden die ersten Siedlungen auf erhöhten Geestkernen gebaut, um den regelmäßigen Überflutungen zu entgehen. Doch die wachsende Bevölkerung, sowie die übermäßig starken Sturmfluten, machten weitere Schutzmaßnahmen notwendig. Auch sollten zusätzlich die landwirtschaftlich genutzten Flächen ganzjährig trocken bleiben, deshalb begann man vor rund 1000 Jahren mit dem Deichbau.
Deichbau – Früher und Heute
Die ersten Deiche sind den heutigen Deichen in ihrer Form schon recht ähnlich gewesen. Über die Jahrhunderte hinweg wurden unterschiedliche Deichformen entwickelt und auch wieder verworfen, wie beispielsweise im Spätmittelalter der Stackdeich. Eine vertikale hohe Wand aus Holzplanken, die der Kraft der Wassermassen oftmals nicht standgehalten hat.
Heute sind die Deiche wieder Erdwälle, wenn auch viel ausgeklügelter, als die ersten Deiche. So weiß man um die einzelnen Besonderheiten der Baumaterialien und setzt diese viel gezielter ein. Natürlich sind auch neue Baumaterialien entwickelt worden, wie der Asphalt. Dieser kann den bis dahin üblicherweise gepflasterten Deichfuß nun viel besser vor der Wellenenergie schützen. Ein moderner Deich kann ein Deichfuß von bis zu 100 Metern Breite und Höhen von bis zu 10 Metern haben. Wobei die Seeseite des Deiches einen langen Aufstieg hat, damit die See sich bei Hochwasser langsam ausrollen kann. Landwärts ist der Deich deutlich steiler, meistens mit Gras bewachsen und wird oftmals von Schafen beweidet, die mit ihren Klauen den Deich feststampfen. Jedes Detail beim Deichbau ist wichtig und kann im Zweifel über Leben und Tod von vielen Menschen entscheiden. Aus diesem Grund ist die ständige Wartung und Pflege der Deichanlagen besonders wichtig.
Heute ist es die verantwortungsvolle Aufgabe der Deichachten sich um Wartung und Pflege zu kümmern, während die Finanzierung über eine steuerliche Abgabe, die Deichacht, geregelt wird. Früher hieß es beim Küstenschutz in Ostfriesland: „Wer nich will dieken, der mutt wieken!“ Ein Satz, der die Dringlichkeit deutlich macht. Denn gemäß dem Spatenrecht verlor jemand, der seinen Pflichten beim Deichbau nicht nachkam, seinen ganzen Besitz. Als Signal der Aufgabe oder der Enteignung wurde ein Spaten in das Grundstück gesteckt. Wer nun diesen Spaten hinauszog, übernahm auch die damit verbundenen Pflichten.
Sturmfluten
Sturmfluten, wie im Februar 1962, als es zu Deichbrüchen vor allem rund um Hamburg kam, machen nochmals deutlich, wie wichtig die Pflege und Wartung der Deiche ist. Auch in Ostfriesland kam es in dem besagten Jahr zu einem Deichbruch und zwar im Landkreis Leer. Der Ort Völlen wurde überflutet und viele haben ihr Hab und Gut verloren. Für die damaligen Anwohner sind mit dieser Sturmflut besonders dramatische Erinnerungen verbunden. Glücklicherweise hat sich seit damals schon vieles geändert, so wurden seitdem die Deiche weiter verstärkt und erhöht. Aber auch das Nachrichtennetz hat sich verbessert, genauso wie die Möglichkeit Stürme und Sturmfluten vorherzusagen. Beides bietet zusätzlichen Schutz für die Bewohner der Region und zeigt: Küstenschutz in Ostfriesland ist heute aktueller denn je, angesichts des Klimawandels und des Anstiegs des Meeresspiegels.