Der Friese war es gewohnt, aufgrund der harten Lebensbedingungen, die Meer und Moor ihm abverlangten, sich zu verteidigen. Ein Kämpfer von Natur aus, der seine Rechte, Wünsche und Lebensart, vor allem aber seine Freiheit nicht bereit war aufzugeben. In der gemeinsamen Abwehr von Wikingern und drohender Sturmfluten lösten sich die Standesunterschiede immer wieder auf. Reich und Arm, Herr und Knecht mussten zusammenstehen – ein jeder hatte bei diesen Kämpfen gleiche Rechte und Pflichten. Insbesondere in der Grundregel aus dem bis heute gültigem Deichrecht spiegelt sich der Zusammenhalt bis heute wider.
Deichrecht: „De nich will dieken, mutt wieken“ [wer nicht will deichen, muss weichen]
Kein Wunder also, dass auswärtige Grafen, Wikinger und andere Herrscher bald wieder unverrichteter Dinge abzogen und sich geschlagen gaben. Zu jener Zeit ließ sich weder ein feudales Herrschaftssystem mit Ritterschaft und Adel etablieren noch wurde den Friesen der „Sieben Seelanden“ die Herrschaftsfolge abverlangt. So entstand bald das Alleinstellungsmerkmal der friesischen Freiheit. Ein Gesellschaftsmodell das seinerzeit einzigartig in Europa war und auf das die Friesen bis heute mit Stolz zurückblicken. Der englische Franziskaner Bartholomaeus Anglicus beschrieb die Friesen um 1240, wie folgt.
„Der Stamm ist nach außen frei, keinem anderen Herrn unterworfen. Für die Freiheit gehen sie in den Tod und wählen lieber den Tod, als dass sie sich mit dem Joch der Knechtschaft belasten ließen.“
Friesisch und Frei
Für den Friesen bedeutete dies sein eigener Herr zu sein und sein eigenes Land zu bewirtschaften, eben freier Hofbesitzer zu sein. Bedingt durch die Freiheit entstanden in Friesland viele kleinere Länder und Landesgemeinden, die ein buntes Bild von politischen Einheiten ergaben. Teilweise lassen sie sich auch heute noch auf den Landkarten namentlich wiederfinden lassen. Doch der vielen politischen Einheiten zum Trotz schafften es die Friesen sich als eine Gemeinschaft zu verstehen und auf ein für alle gültiges Recht zu verständigen. Diese gemeinsam festgesetzten Rechte wurden von den sogenannten „Redjeven“, ausgewählte Richter aus den Reihen der Großbauern mit Landbesitz, vollzogen.
Upstalsboom
Zur Festlegung der jeweiligen Rechte traf man sich am Upstalsboom, im heutigen Rahe, nahe bei Aurich. Dieser mittelalterliche Versammlungsort der Friesen bekam vermutlich seinen Namen aufgrund seines Aussehens. „Boom“ ist ein bearbeitetes Rundholz das hier möglicherweise zum Anbinden des Viehs stand und „Upstal“ heißt so viel wie „eingezäuntes Flurstück“, also eine Art Weide. Demnach ein äußerst praktischer Versammlungsort, da die Redjeven hier so gleich einen Ort für ihre Pferde zum Anbinden hatten. So kamen die ausgewählten Richter jährlich am Dienstag nach Pfingsten zusammen um die bestehenden Rechte zu besprechen und auf ihre Richtigkeit zu prüfen. Wann immer ein besseres Recht gefunden wurde, wurde ein bestehendes Recht durch dieses „Bessere“ ersetzt.
Heute erinnert nur noch eine Steinpyramide an diese Zusammenkünfte. Sie ist damit ein einzigartiges Symbol der friesischen Freiheit und ein schöner Ausflugstipp für Kulturinteressierte.